- Kategorie: Tipps von Andreas Lenz
Ein bemerkenswertes Buch über ein bemerkenswertes Leben: Der zwergwüchsige Michelangelo Vitaliani, genannt Mimo, kommt aus einer verarmten italienischen Familie und wird Anfang des 20. Jahrhunderts im Süden Frankreichs geboren. Um den Beruf des Bildhauers zu lernen, wird er nach Italien zu einem Onkel geschickt, der ihn zwar ausbildet, jedoch auch wie einen Sklaven behandelt. In dem ligurischen Dorf, in dem sich die Werkstatt des Onkels befindet, hat die adlige Familie der Orsinis das Sagen. Bei einem Auftrag, den Mimo als Bildhauer in der Villa der Orsinis ausführt, lernt er Viola kennen, die eigenwillige Tochter des Hauses. Durch sie gelangt er heimlich an Bücher aus der Hausbibliothek und kann so seinen Mangel an Schul- und Allgemeinbildung ausgleichen. Da sich Mimo als hochtalentiert erweist, kann er schon bald eigenständig arbeiten und wird schon als junger Mann ein gefeierter Künstler werden. Auch Viola strebt nach oben und weicht von dem für sie vorgesehenen Weg ab, was die Familie jedoch zu unterbinden weiß.
Die gut erzählte Geschichte zweier Außenseiter, die ohne einander und miteinander nicht können, nebenbei die Geschichte Italiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - ein guter Lesestoff zum Abtauchen in diese Zeit!
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Gebunden, 24,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Elischa Naumann-Molzen
Die Norwegerin Gro gibt nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes ihren gut bezahlten Job auf einer Ölplattform auf und zieht an einen entlegenen Fjord auf den Lofoten. Hier am rauen Polarkreis will sie die Einsamkeit genießen und nur im Einklang mit der Natur leben. Sie lernt, sich den Jahreszeiten anzupassen und beginnt, sich nach Monaten der Trauer wieder dem Leben zuzuwenden. Als Gro in einer stürmischen Nacht den Notruf eines Fischers erhält, rettet sie ihn und pflegt ihn gesund. Zunächst widerwillig, denn für sie ist es nach der langen Zeit des Alleinseins schwierig, wieder auf andere Menschen zuzugehen. Aber nach einiger Zeit merkt sie, dass es ihr guttut, Menschen in ihr Leben zu lassen und findet in der Dorfgemeinschaft Nähe und Zusammenhalt.
Die Autorin Anette Strohmeyer hat in diesem Roman ihre eigene Trauer um ihren Mann verarbeitet, was das Buch sehr authentisch und einfühlsam macht. Wunderschöne Naturbeschreibungen mit gut recherchierten Informationen zu Norwegens Erdölreserven und eine spannende Nebenhandlung machen diesen Roman zu einem großen Lesevergnügen.
Gebunden, 24,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Elischa Naumann-Molzen
Nach großen menschlichen Enttäuschungen und einem Zusammenbruch bei der Arbeit wendet sich Cassi von ihren Freunden ab und kauft ziemlich spontan und unüberlegt ein kleines Häuschen in der schwedischen Einöde. Hier will sie zur Ruhe kommen und mit ihrem neuen Hund die Einsamkeit genießen, doch schon bald entstehen durch ein Missverständnis Gerüchte, dass Cassi ein erfahrener Selbsthilfe-Guru sei. Immer mehr Nachbarn suchen Cassi auf, um ihre heilsamen Anwendungen in Anspruch zu nehmen. Und Cassi kommen diese Besuche sehr gelegen, denn sie muss schon bald zugeben, dass ihr die teilweise sehr schrulligen Dorfbewohner immer mehr ans Herz wachen. Doch wie lange kann sie die Lügen aufrechterhalten, bevor das ganze aufgebaute Konstrukt im Chaos versinkt?
"Sommer ohne Plan" ist ein unterhaltsamer Roman, dabei sowohl tiefgründig als auch sehr komisch. Die liebenswerten Dorfbewohner mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen berühren genauso wie die planlose Cassi, die ihren Platz im Leben sucht.
Gebunden, 25,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Eva Herbergen, die Hauptfigur, ist eine leidenschaftliche und erfolgreiche Strafverteidigerin. Ihren Mandanten begegnet sie ohne Vorverurteilung und sie weiß, dass hinter jedem Verbrechen eine Geschichte steckt. Sie erzählt von besonderen Fällen, die sie und ihre Arbeit geprägt haben. Von Fällen, bei denen sie einer falschen Einschätzung unterlag, von Fällen, bei denen sie getäuscht wurde und von Fällen, bei denen sie eine Grenze überschritten hat - Eva ist nicht unfehlbar. Mit jedem Fall, den Eva erzählt, verschwimmt die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Recht mehr, lösen sich ihre Gewissheiten auf.
“Dunkle Momente” ist ein absolut packender und toll erzählter Roman über die Diskrepanz zwischen juristischer Rechtsprechung und gefühlten Recht, die jeder sicher schon einmal empfunden hat, wenn er über einen spektakulären Strafprozess, der Thema in den Medien ist, liest oder hört. Nicht immer sind Recht und Gerechtigkeit eindeutig das Gleiche. Und manchmal stößt das Recht an seine Grenzen. Die Autorin Elisa Hoven, die Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof ist, legt den Finger in die Wunde. Achtung: Manche Fälle sind wirklich starker Tobak, aber das Lesen bzw. hören (das Hörbuch liest ganz hervorragend Nina Kunzendorf) lohnt sich immer. Mein Highlight in diesem Frühjahr, wirklich großartig! Das ist kein Buch, das man schnell vergisst.
Gebunden, 22,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Hamburg Ende März 1933: Nach Wochen auf See kehrt der Dampfer “Kulm” in seinen Heimathafen zurück. Die achtköpfige Schiffsmannschaft weiß noch nichts von der Machtergreifung der Nationalsozialisten und findet sich in einem radikal veränderten Land wieder. Kapitän, 1. und 2. Offizier, Maschinist, Bootsmann, Matrosen, Heizer, Koch und Decksjunge stammen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, haben unterschiedliche Weltanschauungen und politische Meinungen. An Bord spielt das keine Rolle, an Land sieht die Welt ganz anders aus. Der Erzähler begleitet die Männer die ersten Tage und Wochen im neuen Deutschland und schildert in packenden Episoden von ihren verschiedenen Erlebnissen und Taten, ihren persönlichen Konflikten und der Suche nach einem Platz in einer unbarmherzigen Gesellschaft.
Heinz Liepmans ist kein literarisch anspruchsvolles Werk, sondern liest sich wie eine Reportage, die die damaligen Leser aufrütteln sollte. Das beeindruckende an diesem Roman ist die Tatsache, dass Heinz Lipman ihn bereits 1933 geschrieben und im Exil veröffentlicht hat und er auf vielen Tatsachen beruht. Hier wird also das Leben unter der Herrschaft der Nazis nicht rückblickend erzählt, sondern “live”. Man muss schon sehr behütet gelebt haben, um nichts mitbekommen zu haben. Die beschriebene Willkür und Brutalität gegenüber Juden und Andersdenkenden ist verstörend. Der Roman hat aber auch Lichtblicke - es sind die geschilderten Aktionen des zu dieser Zeit noch sehr aktiven politischen Widerstands (z.B. die Grammophonplattenverteilung). Er ist eine eindringliche Mahnung an unsere heutige Gesellschaft, und ich kann ihn mir sehr gut als Schullektüre vorstellen..
Gebunden, 22,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Seit sechs Jahren sitzt der charismatische Sterne-Koch Jared Keaton im Gefängnis wegen Mordes an seiner eigenen Tochter. Zwar wurde die Leiche nie gefunden, doch die hartnäckigen Ermittlungen von DS Washington Poe hatten schließlich zu Keatons Verhaftung und Verurteilung geführt. Nun taucht die Tochter wieder auf - am Ende ihrer Kräfte, aber lebendig! War das Ganze doch eine Entführung und ein riesiger Justizirrtum? Poe ist sich zu 100 % sicher, daß der Sterne-Koch zu Recht am Mord an seiner Tochter im Gefängnis sitzt, aber wie kann er das beweisen? Mehr werde ich nicht verraten!
Die Rätsel-Krimis von M. W. Craven mit dem Dreamteam DS Washington Poe und der liebenswerten, aber sozial unbeholfenen Analytikerin Tilly Bradshaw gehören zur Zeit zu meinen Lieblingskrimis. Spannend, rätselhaft, wendungsreich und humorvoll. “Der Botaniker” kann ich ebenfalls empfehlen, “Der Zögling” fehlt mir noch, ist bestimmt aber auch super.
Kartoniert, 16,99 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Auf Spitzbergen, der nördlichsten besiedelten Insel der Welt, wird eine Biologie-Studentin Opfer einer Eisbärenattacke. Was zunächst wie ein tragischer Unfall mit tödlichem Ausgang aussieht, entpuppt sich, wie die norwegischen Polizistin Lottie herausfindet, als Mord.
Rund 1000 km südlich auf den Lofoten wird die Inhaberin einer kleinen Firma, die Meeressafaris anbietet, tot aus dem Meer geborgen. Was zunächst wie ein Selbstmord aussieht, entpuppt sich, wie ein befreundeter Journalist herausfindet, ebenfalls als Mord.
Beide Frauen interessierten sich sehr für die gestrandeten und teilweise verstümmelten Wale, die in den Wochen zuvor gehäuft an Norwegens Küsten gespült wurden. Aber haben die beiden Morde auch etwas miteinander zu tun? Das wird hier natürlich nicht verraten!
Morgan Audic hat einen spannenden Thriller geschrieben, der durch sein interessantes Setting zusätzlich punktet. Man erfährt nicht nur eine Menge über das durch Kälte und Dunkelheit herausfordernde Leben auf Spitzbergen, sondern auch über Eisbären und Wale. Die beiden Ermittler sind vielschichtige Figuren, die ein ordentliches Päckchen mit sich herumtragen, welches die Ermittlungen mal behindern, mal fördern. Mein Tipp für Fans naturwissenschaftlicher und geopolitischer Thriller!
Gebunden, 24,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Hauptdarstellerin Johanna ist Inhaberin eines Blumengeschäfts, Mutter einer halbwüchsigen Tochter, Ehefrau eines Kapitäns, Erbin des Schrebergartens ihres verstorbenen Vaters und Trägerin einer steilen Sorgenfalte - also eine ganze Menge. Sie ist Anfang Vierzig und sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass sie immer unsichtbarer wird. Ihre Tochter braucht sie immer weniger und die Beziehung zu ihrem Mann ist in ruhigem Fahrwasser. Kurz: Sie hat Probleme mit dem Älterwerden. Helfen kann auf jeden Fall ihre neue Mitarbeiterin, die frischen Wind in den Blumenladen bringt. Aber kann auch Botox helfen? Was sind ihre Wünsche und wie soll die nahe Zukunft aussehen? Johanna will sich neu orientieren.
Anfangs wusste ich nicht, wohin die (Lese-) Reise geht und ob ich da mit will. Dann haben mich Johannas Gedanken gepackt und ich habe den neuen Roman von Eva Lohmann in einem Rutsch durchgelesen. Es ist ein wunderbares Buch über Sichtbarkeit, Selbstliebe und Solidarität und fühlt sich an wie eine warmherzige Umarmung.
Gebunden, 24,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Karin Wiskandt
Hanna hat bis auf wenige Monate ihr ganzes Leben in Magdeburg verbracht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren, hat sie die Nationalsozialisten, die DDR und die Wende, gute und schlechte Zeiten erlebt. Sie hat Karl geheiratet, der nicht immer ein guter, nützlicher Ehemann war und sechs Kinder geboren, von denen zwei viel zu früh gestorben sind. Sie hat immer wesentlich zum Familieneinkommen beigetragen, erst als Inhaberin eines Blumenladens und später als Kranführerin. Hanna hat das Leben immer so genommen, wie es kommt, sie hat viel erlebt und viel ertragen, aber nie ihren moralischen Kompass verloren.
Mit “Schwebende Lasten” erzählt Annett Gröschner ein ganzes fiktives Frauenleben, eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts und vielen historischen Details. Hanna ist eine starke Frau, die trotz Familie und Ehemann ihre Selbstständigkeit immer erhalten hat und sich treu geblieben ist. Annett Gröschner erzählt klar und auf das Wesentliche konzentriert, sie wertet nicht, zeigt aber viel Liebe zu Hanna. Hanna steht exemplarisch für viele Frauen, die das 20. Jahrhundert mit allen Härten erlebt haben und die Autorin macht diese Frauen sichtbar. Ich habe den Roman mit Begeisterung gelesen. Nur die Frage, ob Hanna ein glückliches Leben führte, kann ich nicht beantworten. Manchmal ja und manchmal nein? Wahrscheinlich wie im richtigen Leben.
Gebunden, 26,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Andreas Lenz
Es geht ums Kiffen, um die Staatliche Plankommission der DDR, um Franz Josef Strauß und den Milliardenkredit der BRD für die DDR in den frühen 1980er Jahren. Das scheint alles überhaupt nicht zusammen zu gehören, passt aber trotzdem.
Der neue Roman von Jakob Hein beginnt damit, dass Grischa, ein junger Mann aus guter sozialistischer Familie, nach seinem Studium einen Job in Berlin bekommt. In der Staatlichen Plankommission (SPK) soll er sich um die Handelsbeziehungen zu dem neuen sozialistischen Bruderland Afghanistan kümmern. Da es jedoch mit Afghanistan nichts zum Handeln gibt, wird von ihm erwartet, dass er sich jeden Morgen in sein Büro begibt und möglichst ruhig verhält, sprich: Nichts tut.
Grischa hat jedoch andere Vorstellungen und entwickelt einen aberwitzigen Plan, der zunächst seine Chefs und später auch die beteiligten Minister überzeugt: Afghanistan verfügt sehr wohl über ein landwirtschaftliches Produkt, mit dem man nicht nur handeln, sondern auch hohe Deviseneinnahmen erzielen kann. Richtig, der Schwarze Afghane. Und da der Cannabis-Erwerb und -Konsum in der DDR-Gesetzgebung keine Erwähnung findet, ist das alles auch noch legal!
Grischa und seine Kollegen entwickeln eine florierendes Ost-West-Handelsmodell, das jedoch auch bald die Westbehörden auf den Plan ruft.
Wie in vielen seiner Romane erzählt Jakob Hein vor dem Hintergrund historischer Realitäten eine aberwitzige Geschichte, die "so gewesen sein könnte". Das macht sehr viel Spaß!
Gebunden, 23,00 EUR *)
- Kategorie: Tipps von Andreas Lenz
Dieser jetzt wieder neu aufgelegte Roman von Uwe Timm erschien bereits 1984 erstmals. Bisher war er an mir völlig vorübergegangen, was wohl vielen, die Uwe Timm schätzen, so ergangen sein dürfte. Daher habe ich mich gefreut, einen »neuen« Roman von ihm entdeckt zu haben.
Ende des 19. Jahrhunderts in Coburg: Der junge Tierpräparator Franz Schröter hat einige Zeit in England, dem Mutterland der technischen Moderne, gelebt und sich jetzt in Coburg als Präparator niedergelassen. Zum Einen aus einem unerschütterlichen Fortschrittsglauben heraus, zum Anderen, um auf sich aufmerksam zu machen, bestellt der sich als Erster in der Stadt ein Hochrad und übernimmt auch den Vertrieb des englischen Herstellers in Süddeutschland.
Das Hochradfahren war zu jener Zeit ein echtes Wagnis: Durch den hohen Sitz war man stets der Gefahr ausgesetzt, durch die kleinstes Unachtsamkeit oder Unregelmäßigkeit gefährlich zu stürzen. Andererseits konnte man größere Distanzen schnell und ohne viele Planungen zurücklegen. Franz Schröter nimmt wie einige andere Zeitgenossen diese Gefahr auf sich und sieht sich dem Spott, aber auch der Bewunderung der städtischen Gesellschaft ausgesetzt. Dieses Gerede verschärft sich dramatisch, als auch seine Ehefrau Anna es sich nicht verbieten lässt, Hochrad zu fahren. Ihr ist es egal, ob es sich schickt oder nicht.
In dieser Zeit des Fortschritts und des gesellschaftlichen Umbruchs macht sich Franz daran, sein Geschäft als Tierpräparator zu etablieren. Hierbei kommen ihm auch Todesfälle der Lieblingshunde in der Familie derer von Sachsen-Coburg und Gotha zugute.
Ein echter Uwe Timm. Wer die »Entdeckung der Currywurst« geliebt hat, wird sich auch an diesem Buch erfreuen, das im Original von 1984 den Untertitel »Eine Legende« trug.
Gebunden, 22,00 EUR *)
- Anne Stern: Wenn die Tage länger werden
- Kristine Bilkau: Halbinsel
- Karen Kliewe: Die Brandung - Moorengel
- Kathrin Weßling: Sonnenhang
- Susann Pasztor: Von hier aus weiter
- Wolf Haas: Wackelkontakt
- Anika Decker: Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
- Takis Würger: Für Polina
- Heike Duken: Wie wir waren
- Claire Lombardo: Genau so, wie es immer war